10.-11.2.2023, Samstag – Sonntag, Shaikupura

Heute war es endlich so weit, dass die Werkstätte in Shaikupura wieder offen waren. Wir sind nach dem Frühstück mit Fritzchen losgefahren, um unsere Dachhalterung reparieren zu lassen. Auf der Straße herrschte schon reger Verkehr. Nach ca. 8 km, kurz vor unserem Ziel befanden wir uns in einem großen Kreisverkehr, als ein Mann auf einem Motorrad irgendwie komisch gerufen und unten auf Fritzchen gezeigt hat. Erstmal wussten wir nicht, was er will, aber danach hat Marc aufgerufen „Oh, ich weiß, was er zeigt. Wir haben wahrscheinlich unsere Kühlerabdeckung rechts verloren! Ich habe sie vorgestern nur angelegt, als ich die Standheizung angeschaut habe!“ Ich war erstarrt vor Überraschung und Verzweiflung. „Wie konntest du nach der Geschichte mit deinem Schuh wieder was da vorne hinstellen? Wir müssen sofort zurückfahren!“ Genau das haben wir getan. Aber hier in Pakistan gibt es Linksverkehr und die meisten Straßen haben geteilte Fahrbahnen. Also wir mussten auf der anderen Seite zurückfahren, als auf der wir gekommen sind. Wir haben auf dem gesamten Weg geschaut, ob wir die Abdeckung irgendwo in den Händen vom jemandem oder irgendwohin hingeworfen sehen. Der Teil ist nicht klein und rot, es müsste auffallen. Andererseits hatten wir wenig Hoffnung. Die Verkehr war so rege und so viele Menschen liefen und fuhren auf der Straße, dass es unwahrscheinlich war, dass die Abdeckung noch dort ist, wo wir sie verloren haben. Aber wir mussten es trotzdem probieren. Als wir wieder bei Hussains Haus waren, haben wir nochmal in der Straße und im Hof geschaut. Sie war dort auch nicht. Wir sind nochmal zurück zur Werkstatt gefahren und haben alles sehr gründlich beobachtet, aber das Ding war weg. Es war eine sehr herber Verlust. Es war nicht unentbehrlich, aber Fritzchen sah nicht schön aus. Wir waren sehr traurig, aber wir konnten nichts mehr tun.

Als wir bei der Werkstatt ankamen, wo unsere Dachträger repariert werden sollte, haben wir natürlich unser Missgeschick erzählt. Sie haben uns angehört und gesagt: „Kein Problem, wir machen euch eine neue! Das ist Pakistan! Hier kann man alles machen!“ Alles klar, dachten wir, schauen wir mal.

Die Werkstatt:

Sie haben aber als Erstes mit der Reparatur der Dachrinne angefangen. Diese ist wegen der großen Belastung durch unseren Dachträger (der auch unser 130 kg schweres Ersatzrad trägt) arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Er wurde an einer Stelle gebrochen und an einer anderen verbogen. Die Männer haben für beide Seiten eine Verstärkung aus Stahl auf Maß gefertigt und an unser Fahrerhausdach geschweißt.

Gleichzeitig haben wir eine neue Hupe ausgesucht. Marc wollte unbedingt eine laute, mit Druckluft betätigte Lkw-Hupe, so eine wie die pakistanischen Lkws es haben. Hier in Pakistan und vor allem in Indien ist sie sehr nützlich, wenn Menschen, Eselkarren, Tuktuks, Motorräder und Autos aus allen Himmelsrichtungen kommen, vor uns ganz knapp einscheren oder einfach ohne Vorwarnung vom Straßenrand starten. Hier wird das Horn auch oft genutzt, wenn man jemanden überholt, um nur einfach Bescheid zu geben, „Hey, ich bin neben dir!“. Mit unserem großen Fritzchen haben wir nicht so viel Angst um uns, sondern um alle anderen. Wir möchten unbedingt vermeiden, dass jemand vor unsere großen Reifen fällt. Die neue Hupe, die wir gewählt haben, hat 6 Tröten und kann 8 verschiedene Melodien abspielen. Und sie ist laut. Ich meine LAUT! Während die Schlosser auf dem Dach arbeiteten, wurde sie unter Fritzchen eingebaut und an unser Stromsystem und Druckluft angeschlossen.

Marc war richtig begeistert von ihr, auf dem gesamten Rückweg nachher hat er mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht jede Möglichkeit ergriffen, die Hupe nutzen zu können.

Bis die Dachrinnenverstärkung fertiggebaut wurde, wurde es schon dunkel. Der Schlossermeister hatte keine Zeit mehr, unsere Lüftungsabdeckung zu bauen. Es war schade, aber wir werden schon eine Lösung finden irgendwann.

Für die Nacht sind wir zurück zu Hussains Haus gefahren. Morgen wollten wir wieder kommen, weil die Dachverstärkung noch lackiert werden musste. Während der Nacht kam uns die Idee, dass wir vielleicht einen Zettel vorbereiten könnten, worauf wir für unsere Lüftungsabdeckung eine Belohnung ausschreiben könnten. Vielleicht hat jemand was gesehen, dass es jemand aufgehoben hat oder irgendwohin hingeworfen hat. Eigentlich ist das Ding nicht wertvoll oder sonderlich nützlich. Wir haben Hussain unsere Idee erklärt und nach seiner Meinung gefragt. Darauf hat er uns gesagt, dass unsere Idee nicht funktionieren wird. Er hat auch erklärt warum. Er hat erzählt, dass er Kameras um sein Haus hat, und er die Aufnahmen von unserer Wegfahrt angeschaut hat. Als wir seinen Hof verließen, war die Abdeckung vorne lose an der Vorderseite von Fritzchen angelehnt. Es musste wahrscheinlich runtergefallen sein, als wir von seiner kleinen Gasse auf die Hauptstraße abgebogen sind. Auf dem Video war es zu sehen, dass direkt nachdem wir rausfuhren, ein Motorrad anhielt und der Fahrer etwas aufgehoben hat. Man konnte nicht sehen, was es war, aber sehr wahrscheinlich unsere Abdeckung. Also haben wir unsere Idee dann verworfen und sind wieder zur Werkstatt gefahren. Diesmal wurden wir zu einer Lackierwerkstatt im Freiem hingelotst. Wir standen zwischen wunderschönen pakistanische Lkws.

Wir konnten auch beobachten, wie ein alter Mann gerade einen Lkw neben uns neu bemalt. Seine Arbeit war echt kunstvoll und genau. Es war interessant, weil seine Hand zwar zitterte, aber der Pinsel in seiner Hand nicht.

Unsere Dachrinne samt Verstärkung wurde schwarz lackiert. Wie meistens in Pakistan, arbeitete ein Mann und dutzende andere haben zugeschaut.

Die Dachrinnenverstärkung mit Lackierung ist richtig schön geworden. Sie ist auch wesentlich stabiler und tragfähiger, als sie vorher war. Wir hoffen, dass wir für den Rest der Reise keine Probleme mehr mit ihr haben werden.

Während unser Dach lackiert wurde, hat sich Marc mit den Männern unterhalten. Er hat auch über unsere verlorene Lüftungsabdeckung erzählt. Es hat sich tatsächlich ein anderer Schlosser gemeldet, der auch Zeit hatte. Er hat uns angeboten, dass er für 5000 Rupi (17 EUR) uns eine neue bauen kann. Marc hat ihm die Abdeckung von der anderen Seite als Vorlage gegeben. Bevor wir wieder nach Hause fahren konnten, mussten wir abwarten, dass der Lack auf dem Dach trocknet. Als er einigermaßen trocken war und wir unseren Dachträger zurückbauen konnten (noch ohne Ersatzrad drauf), kam der Schlosser mit dem schon fertiggestellten Rahmen zurück. Er hat ihn an Fritzchen probiert, er passte wie angegossen. Wir haben gedacht, er wird die Mitte irgendwie wahrscheinlich mit einem Blech füllen. Uns war es egal, alles kann nur schöner sein, als das klaffende Loch. Der Schlosser hat gesagt, wir können das Teil morgen abholen, bis dann wird es auch lackiert.

Es war 5 Uhr nachmittags und wir waren für heute bei den Werkstätten fertig. Die Straßen waren wie immer sehr belebt.

Wir wollten aber Fritzchen noch waschen lassen. Der arme Kerl war so dreckig von der Fahrt im Regen in Belutschistan. Er hatte eine richtige dicke Kruste an allen Metallboxen und an unseren Türen. In der Nähe von Hussains Haus gab es auch eine „Waschanlage“, wo man seinen Auto waschen lassen konnte. Wir sind da hingefahren und wollten den Mann fragen, wie lange das Waschen dauern wird und wie viel es kosten soll. Er konnte aber kein Englisch und hat auf Marcs Fragen nicht reagiert, sondern schon angefangen, das Auto abzuspritzen. Marc hat die Frage mit Google Translate übersetzen lassen und ihm das Handy gezeigt. Er hat es angeschaut, aber immer noch nicht reagiert. Offensichtlich konnte er nicht lesen. Wir haben dann Hussain angerufen und mit seiner Hilfe konnten wir erfahren, dass es ca. 1 Stunde dauern wird und 800 (2,70 EUR) Rupi kosten soll. Da der Mann kein Gerüst oder Leiter hatte, hat er unser Fritzchen nur bis zur Hälfte gewaschen, oben nur abgespritzt. Das Ergebnis war weit weg von perfekt, aber was soll es? Es war allemal besser als vorher.

Wir fuhren dann mit dem einigermaßen sauberen Fritzchen mit der schön lackierten Dachrinne zurück zu Hussain. Er hat uns für heute Abend zum Abendessen eingeladen, wollte uns pakistanisches Essen und Kultur zeigen und erklären. Wir sind mit seinem Auto zu einem tollen Hotel mit Restaurant gefahren. (Es war zufälligerweise genau gegenüber von der Werkstatt, wo unsere Dachrinne repariert wurde.)

Vor dem Restaurant haben wir ein Auto gesehen, das genauso hieß wie unsere Tochter:

Wie wir von Hussain erfahren haben, ist dieses Modell, das Daihatsu Mira sehr beliebt in Pakistan. Wir glauben, in Europa gibt es das nicht. Kennt ihr es?

 Das Restaurant war richtig vornehm, ordentlich und gut besucht. Hussain hat uns erklärt, was die einzelnen Gerichte auf der Karte sind und uns auch Sachen empfohlen. Als Vorspeise haben wir gemeinsam eine Familienportion „Hot and Sour Soup“ bestellt. Sie war sehr lecker und nur leicht scharf.

Die Kinder wollten als Hauptspeise was chinesisches Essen. Mira hat Hähnchen mit Cashewkernen, Marius mit Ananas süß-sauer gewählt. Aber Marc und ich, wir wollten pakistanische Gerichte probieren. Wir haben verschiedene Chicken Handis mit Naan und Chapati oder Roti bestellt. Handi ist ein Fleischgericht, wo knochenloses Fleisch in einer Soße mit vielen verschiedenen Gewürzen vorbereitet wird. Alles war sehr sehr lecker.

Während des Abendessens haben wir uns über Pakistan und die Welt unterhalten. Die Zeit verging sehr schnell. Hussain hat über das Leben in Pakistan und von seinen Begegnungen mit Margot, einer bekannten deutschen Dame, die alleine 3 Mal nach Pakistan reiste und darüber mehrere Filme und Bücher gemacht hat, erzählt. Ich besitze auch zwei von ihren Büchern, die ich als Vorbereitungslektüre für unsere Reise genutzt habe. Wir haben uns auch über Partnersuche und Hochzeiten unterhalten, worauf Hussain angeboten hat, dass wir gerne sein Hochzeitsvideo sehen könnten, wenn wir möchten.  Wir haben natürlich nicht nein gesagt.

Zu Hause haben wir uns in Hussains Wohnzimmer hingesetzt, um die Videos anzuschauen. Hussain hat uns erklärt, dass pakistanische Hochzeiten 3 Tage lange dauern und eine Menge Geld kosten. Der erste Tag heißt Mehendi. Mehendi ist eigentlich der Henna Abend, der Abend vor der Hochzeit. Hier feiern die Familien der Braut und die des Bräutigam separat. Bei Hussain war es aus Zufall anders, weil die 2 Familien die 2 Hälften der gleichen Event-Halle gebucht haben. Hier wird viel getanzt und gefeiert. Die Tänze und die Musik war indisch. Das ist hier in der Region typisch. Das ist hier Punjab, was vor 1947 zusammen mit dem indischen Punjab eine Region bildete. Ihre Musik und Traditionen sind gleich, nur hier in Pakistan sind die Menschen Muslime und in Indien Hindi.

Quelle: www.mariamsaifan.com

Quelle: www.mariamsaifan.com

Am 2. Tag wird die Rezeption bei der Familie der Braut gefeiert. Der Bräutigam geht mit seiner Familie hin und bittet um Herausgabe seiner Frau. Es wird manchmal zu Hause bei der Braut gefeiert, aber meistens gehen sie wieder in eine Event-Halle. An diesem Tag waren die Braut und der Bräutigam am festlichsten gekleidet. Der Bräutigam sah aus wie ein Maharaja, mit einem Turban auf seinem Haupt und in handbesticktem Anzug. Sogar seine Schuhe waren wunderschöne, bestickte Handarbeit. An dem Tag wird offiziell geheiratet. Braut und Bräutigam unterschreiben ihre Gelübde und ab dem Zeitpunkt sind sie offiziell Frau und Mann. Am Abend werden wunderschöne Bilder und Videos vor einem schönen Gebäude oder in einem Park gemacht. Dies ist die erste Nacht, die die Frau bei ihrem Mann verbringt.

Quelle: de.freepik.com

Der dritte Tag ist die Rezeption bei des Bräutigams Familie. Die Familie und Freunde der Braut kommt zum Besuch und sie feiern noch einmal zusammen. Bei Hussain bedeutete es 700 Menschen!

Als wir Hussains Videos angeschaut haben, kam seine ältere Schwester Ifra dazu. Wir haben dann noch ihre Hochzeitsvideos angeguckt. Sie waren sehr ähnlich, trotzdem ein bisschen anders. Sie haben teilweise in Faisalabad gefeiert, weil ihr Mann von dort kommt. Die Dekoration und die Kleider waren aber auch hier wunderschön.

Uns hat überrascht, wie prunkvoll, ausgiebig und fröhlich gefeiert wurde. Männer und Frauen haben zusammen gefeiert. Die Frauen haben zwar traditionelle Kleider getragen, aber alles war farbenfroh und glitzerte. Die wenigsten weiblichen Gäste hatten einen Hijab an. Alles hat uns ziemlich an Indien erinnert.

Wir haben allgemein festgestellt, dass unser Bild von Pakistan komplett falsch war. Basierend auf den Infos aus den Medien, haben wir gedacht, dass Pakistan wie Baluchistan ist. Arm, konservativ und gefährlich, wo die Frauen total unterdrückt sind. Aber sogar in Baluchistan waren alle Menschen nett zu uns, keiner war feindlich oder unfreundlich. Auch in Baluchistan dürfen Frauen studieren, es gibt sogar Universitäten nur für Frauen. Hier in Punjab ist alles noch mehr anders. Hier sind genauso viele Frauen auf der Straße wie Männer. Frauen studieren und arbeiten. Z.B. Hussains Frau ist Ärztin, seine Schwester Ifra ist Architektin. Familie ist sehr wichtig, die Eltern und ihre Wünsche an die Kinder (egal ob Sohn oder Tochter) werden sehr ernst genommen. Es gibt hier kein Sozialsystem, der Rückhalt der Familie ist lebenswichtig. Natürlich war unser Einblick hier nicht repräsentativ. Hussains Familie gehört zur gebildeten Mittelschicht. Wir können nicht einschätzen, wie die Armen, die oft nicht mal lesen und schreiben können, leben. Aber trotzdem waren wir von Pakistan und seinen Menschen sehr positiv überrascht.

Ein Kommentar

  1. Die pakistani LKW ♥️♥️♥️ Ich vermisse die schon sehr.

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