Kurz vor 9 Uhr standen alle 6 Fahrzeuge mit Besatzung vor dem Gebäude des Zolls und der Immigration in Sost. Endlich waren wir alle zusammen, nach monatelangen Vorbereitungen war es Zeit, unser gemeinsames Abenteuer genannt „China Crossing 2024“ anfangen. Als Erstes mussten wir alle Formulare für den Zoll ausfüllen. Dies ging relativ problemlos.
Als Nächstes kam Immigration, eine Tür weiter. Weil Leigh mit seinem Motorrad schnell fertig war, fingen bei Robin und Alysha die Probleme an. Die Beamten wollten am Anfang nicht verstehen, dass wir keine Busreisenden sind, die alle in einem Fahrzeug reisen, sondern jedes Paar, jede Familie ein eigenes Fahrzeug hat. Als sie es endlich verstanden hatten, gab es kein Strom. Es hat insgesamt fast zwei Stunden gedauert, bis wir alle Formalitäten erledigt haben. Erst danach durften wir die ca. 90 km Strecke zu der tatsächlichen Grenze antreten. Wir fuhren weiter auf dem KKH, der die höchstgelegene asphaltierte Straße der Welt ist. Auf dem Weg mussten wir bei dem Kontrollpunkt des Khunjerab National Park anhalten und pro Erwachsem 40 USD Parkeintrittsgebühr zahlen. Es ist wahrscheinlich die höchste Eintrittsgebühr, die wir je für einen Nationalpark bezahlt haben. Nicht darüber zu sprechen, dass wir eigentlich den Park gar nicht besuchen, wir möchten nur zur Grenze fahren. Aber was soll man da machen?
Die Straße war weiterhin malerisch.
Die gesamte Strecke ist erdrutschgefährdet, immer wieder waren große Felsbrocken auf der Straße. Zum Glück hat es in den letzten Tagen nicht geregnet, deshalb war die akute Gefahr eines neuen Erdrutsches gering.
Plötzlich standen 2 Nationalparkmitarbeiter, ein Haufen anderer Leute und parkender Autos am Straßenrand und haben mit einem Fernglas etwas am Berghang beobachtet. Wir haben auch kurz angehalten. Am Hang war eine Herde Steinböcke zu sehen. Die sind das Symbol der Region, aber wir haben natürlich nicht damit gerechnet, sie in der Nähe der Straße zu erblicken. Einer der Steinböcke hatte ein riesiges Horn, ein echtes Musterexemplar.
Danach fuhren wir auf Serpentinen höher und höher. Es wurde immer winterlicher. Auf den gelben Grasflächen grasten Jaks.
Wir haben auch ganz viele Murmeltiere gesehen. Diese Tiere sind so niedlich. Sie stellen sich auf ihre 2 Hinterbeine, um die Umgebung zu beobachten und wenn sie Gefahr riechen, sind sie ganz schnell in ihre Erdlöcher verschwunden.
Nach einer langen, aber wunderschönen Fahrt haben wir ihn dann endlich erreicht: vor uns lag das Grenztor des Khunjerab Pass, der höchste Grenzübergang der Welt auf 4693 Meter Meereshöhe. Wir hatten Glück, das Gebäude war wieder frei, das Gerüst wurde erst gestern abgebaut. (Von Freunden und Bekannten haben wir in der letzten Zeit nur Bilder vom Grenztor mit einem hässlichen Grünen Gerüst gesehen.)
Als wir ankamen, waren Adam und Familie noch da. Wir haben gegenseitig noch ein paar Bilder gemacht und dann kam der große Moment: wir sind in China angekommen. Der chinesische Grenzsoldat hat nur unsere Pässe angeschaut und registriert, danach durften wir gleich weiterfahren.
Nach ca. 2 km haben wir die eigentliche Grenzkontrolle erreicht. Hier fand eine sehr umfangreiche Untersuchung von Mann und Maschine statt. Die Kinder und ich mussten in einem Seitenraum durch die Kontrolle, sogar unsere Schuhe wurden durchleuchtet. Wir mussten auch durch einen Bodyscanner. Die Grenzer haben jede einzelne Seite unserer Pässe angeschaut. Währenddessen blieb Marc mit dem Auto. Mehrere Polizisten haben Fritzchen überall durchgesucht. Sie haben fast alles geöffnet, teilweise sogar Boxen oder Schubladen ausgeräumt. Als sie fertig waren, musste Marc nochmal eine Runde machen und Fritzchen wurde auch geröntgt. Danach kamen die Zöllner, haben das Auto nochmal durchgesucht. Die haben zwei unsere Küchenmesser mit längeren Klingen aus der Schublade geholt und sie fotografiert. Als Marc sie fragte, ob es ein Problem gebe, haben sie es verneint und wir durften dann weiterfahren. Wir mussten nach langer Zeit in Pakistan, Indien und Nepal wieder auf der rechten Straßenseite fahren. Zum Glück war es auch mit rot-gelben Pfeilen auch eindeutig signalisiert.
Die Landschaft sah ganz anders aus als in Pakistan. Dort waren steile, schroffe Berge; hier befanden wir uns auf einer breiten Hochebene.
Wir haben Jurten und Kamele gesehen. Wie wir später erfahren haben, leben hier hauptsächlich Tadjiken.
Über der Straße waren alle paar hundert Meter Überwachungskameras und neben der Straße standen überall diese Fake Polizisten. Wir hatten nach wenig Zeit keine Zweifel daran, dass der chinesische Polizeistaat alles über uns weiß. Wer, wann, wo ist wird in Echtzeit ständig gespeichert, alle werden ständig überwacht. Es gibt kein öffentliches, freie WLAN, Internetzugang hat man nur, wenn man sich mit persönlichen Daten registriert. Die Tankstellen haben Schranken, man kommt nur nach Gesichtskontrolle rein. Die wahrgewordene Welt von 1984.
Es war spät Nachmittags, als wir in der ersten größeren Stadt, Tashkurgan angekommen sind. Hier war es 3 Stunden später als in Pakistan. Ihr könnt fragen, wie kann es sein? Es kann gar nicht passen, dass man nur 200 km weiterfährt und die Zeit so viel später ist. Ja, ihr habt recht. Es passt gar nicht. Im gesamten China herrscht Beijing Zeit. Da Beijing mehrere tausend Kilometer östlich von Xinjiang liegt, passt es natürlich gar nicht, dass Xinjiang und Beijing die gleiche Zeit haben sollten. Die Lösung ist, dass die Leute in Xinjiang nicht-offiziell auch eine lokale Zeit nutzen, die zu den tatsächlichen Tageszeiten passt. Diese ist nur eine Stunde später als die Uhrzeit in Pakistan, aber existiert offiziell gar nicht.
Tashkurgan ist eine große, moderne Stadt mit vielen Straßen. Wir hatten keine Ahnung, wohin wir hinmussten und Google funktioniert in China nicht. Auch offline nicht. Wie wir später von meinen Schwiegereltern erfahren haben, konnten sie auch unsere GPS Position auf der GPS Tracker Webseite nicht sehen. Also waren wir komplett ohne Karte. Zum Glück hat unser Guide in der Kreuzung vor dem Zollgebäude auf uns gewartet und uns in die richtige Richtung gelotst. Wir mussten hinter dem Einwanderungsgebäude neben etlichen pakistanischen Minibussen parken, die natürlich vollgepackt waren mit Pakistanis. Bei der Immigration dauerte es deshalb ewig, bis wir an der Reihe waren. Als wir rauskamen, waren schon wieder uniformierte Menschen um unser Auto herum, die wieder ins Fahrzeug reinwollten. Aber Marc hatte schon genug und hat ihnen gesagt, dass wir jetzt zu den anderen rüberfahren, die vor dem Zollgebäude auf der anderen Seite des Hofes auf uns warteten. Um dorthin zu kommen, mussten wir wieder durch eine Schranke fahren, die sich für uns nicht öffnete. Unser Guide kam und hat unsere Papiere mitgenommen. Nach ca. einer halben Stunde durften wir rein zu den anderen. Aber das bedeutete nicht, dass unsere Zollerklärungen fertig waren.
Da wir alle hungrig waren, haben wir den Guide gebeten, mit uns erstmal in ein Restaurant zu gehen. Er führte uns zu einem Hot Pot Restaurant. Jede(r) hatte ein eigenes elektrisches Kochfeld, worauf wir eine eigene Brühe mit Gemüse bekommen haben. Da drin konnten wir dann alles kochen, was auf dem runden mittleren Teil des Tisches auf uns zukam, wie Fleisch, Bambussprossen oder Pilze. Das ganze mussten wir ohne Besteck mit Essstäbchen bewerkstelligen. Es war für uns das erste Mal, dass wir sowas probiert haben und es war definitiv eine interessante Erfahrung.
Wir liefen dann zurück zum Zoll, aber sie waren immer noch nicht fertig mit unseren Zollerklärungen.
Wir fuhren dann alle zu unserem Hotel. Eigentlich war geplant, dass nur manche im Hotel übernachten und manche im Fahrzeug, aber wir mussten alle unsere Fahrzeuge in einem Zollager lassen, weil die Zollerklärungen noch nicht fertig waren.