Unsere Wasserpumpe ist zwar noch nicht angekommen, aber wir haben uns trotzdem entschieden, weiter nach Islamabad zu fahren. Unsere Achse muss immer noch repariert werden und dafür brauchen wir eine wirklich gute Werkstatt mit einem sehr guten, möglichst englischsprechenden Automechaniker. Zum Glück hat Hussain für (fast) alles eine Lösung und ein sehr gutes Netzwerk. Er hat uns Sami aus Islamabad empfohlen, er sei ein sehr fähiger Automechaniker, der vielen Overlandern schon geholfen hat und er spricht auch ausgezeichnet Englisch. Hussain hat auch angeboten, unsere Wasserpumpe nach Islamabad zu schicken, wenn sie endlich ankommt. Also fuhren wir Freitag früh endlich wieder los. Wir fuhren nach ein paar Kilometern gleich auf die Autobahn auf. Es gab eine Tollstation, wo wir nicht bezahlen mussten. Als die Schranke aufging, hat der Mann im kleinen Haus einen Zettel durch das Fenster rausgereicht, aber wir sind schon losgefahren und haben nicht wirklich darauf geachtet. Wir fuhren auf der Autobahn nicht schnell, nur 50-60 km/h, und hielten gleich nach 50 km an, um die Temperatur der Achse zu prüfen. Es war leider warm, aber noch okay, mit 60-70 Grad. Bei den nächsten Stops wurde es leider immer schlimmer. Irgendwann war die Temperatur sogar über 100 Grad. Wir blieben dann stehen und Marc hat das Öl aus der Achse rausgelassen. Es war nicht nur schwarz, aber auch voll mit Metallspänen! Marcs Befürchtungen schienen sich zu erfüllen, wahrscheinlich geht gerade unser komplettes Planetengetriebe auf der Achse kaputt, daher die vielen Metallteile. Marc hat versucht, so viele Metallteile rauszuholen, wie es ging und hat neues Öl eingefüllt.
Nach dem Ölwechsel fuhren wir nur mit 30 km/h und hielten wieder alle 50 km an. Es wurde dann Abend und wir haben uns entschieden, auf einem Rastplatz zu übernachten. Wir informierten Sami, dass wir erst morgen kommen und verbrachten auf dem Parkplatz eine relativ ruhige Nacht. Erst um ca. 5 Uhr kamen die ersten Reisebusse, die natürlich direkt neben uns mit laufendem Motor stehen bleiben und mehrmals laut hupen mussten, wenn ihre Reisenden nicht rechtzeitig von der Toilettenpause zurückkamen.
Als wir sowieso nicht mehr weiterschlafen konnten, fuhren wir die fehlenden 60 km nach Islamabad. Die Autobahn hier ist, genauso wie in Indien, eine andere Welt, als der Rest des Landes. 2×3 Spuren, abgezäunt, ordentlich, alle folgen den Regeln.
An einem der Rastplätze, wo wir angehalten haben, haben eine Gruppe von Männer mit einer Trommel Musik gemacht und getanzt. Einfach nur so.
Islamabad ist eine moderne Großstadt mit breiten Straßen.
Wir haben Samis Werkstatt leicht gefunden und wurden dort von Alen, einem kroatischen Overlander begrüßt. Sami sei gerade nicht da, aber er kommt bald, sagte Alen, als er uns sein Auto und die Werkstatt gezeigt hat. Er hat erzählt, dass Sami ein super Automechaniker ist. Er hat viel Erfahrung und Können, er baut sogar alte, rostige Oldtimer komplett neu wieder auf. Direkt neben Alens Auto stand auch so eine alte Schönheit, an der Sami schon seit 3 Jahren arbeitet.
Sami kam tatsächlich nicht viel später und war zuversichtlich, dass er unser Problem lösen kann. Er hat sich auch gleich an die Arbeit gemacht und unsere Achse auseinandergebaut.
Und dann tritt leider die Katastrophe ein, die Marc befürchtet hat. Tatsächlich war unser komplettes Planetengetriebe auseinandergefallen, die Metallteile rieben an einander und an dem Gehäuse. Das führte dann zu den vielen Metallspänen, zur Reibung und zur Hitze.
Was uns überrascht hat, war, dass Sami das Ganze total entspannt sah und uns auch beruhigt hat, dass es alles lösbar ist. Wir können die Teile entweder neu oder gebraucht auf dem Lkw-Teile Markt kaufen oder sie können neu von kleinen Maschinenworkshops hergestellt werden. Er kann dann das Ganze zu einem neuen Getriebe zusammenbauen! Wow, alles klar. In Deutschland hätte man gesagt, kauf dir einen neuen Lkw! Da es schon Abend war und unser linkes Hinterrad abgebaut war, blieben wir dann auf dem Gelände der Werkstatt für die Nacht (und für die kommenden Tage und Nächte) stehen.
Am Abend hat uns noch das deutsche Pärchen Susanne und Roman aus unseren China-Überquerung-Truppe angeschrieben. Sie seien auch in Islamabad und schliefen am gleichen IOverlander Übernachtungsplatz wie der Kroate Alen. Er hat ihnen erzählt, dass in der Werkstatt von Sami eine deutsche Familie ankam, die ihr Auto reparieren lassen musste. Die Overlander-Welt ist wieder mal super klein.
Am nächsten Morgen waren wir nicht wenig überrascht, als auch noch Alysha und Robin vorbeikamen, nur um uns Hallo zu sagen. Das Schweizer Pärchen ist auch Teil unsere China-Überquerung-Truppe, aber wir hatten keine Ahnung, woher sie wussten, dass wir hier sind. Es stellte sich heraus, dass sie auch am gleichen Ort übernachtet haben, wie Alen, Susanne und Roman.
DA wir sowieso stehen mussten, hat Mira die Zeit genutzt und hat nachmittags frische Brötchen gebacken. Marius und Marc haben dazu die in Nepal gekauften fränkischen Bratwürste gegrillt. Es gab sogar gegrillten Mais. Nach diesen Tagen haben wir die Leckereien echt verdient.
Leider bin ich an diesem Tag mit starken Schmerzen im Rücken, Schulter und Nacken aufgewacht, ich konnte mich kaum bewegen. Ich brauchte unbedingt professionelle Hilfe von einem Physiotherapeuten. Zum Glück konnte ein Freund von Sami, der gerade da war, nicht nur einen guten Orthopäden nennen, sondern sogar einen Termin für mich für den gleichen Tag am Nachmittag ausmachen. Marc und ich gingen um 3 Uhr hin, ich wurde tatsächlich erwartet.
Der Arzt, ein orthopädischer Chirurg mit sehr vielen Qualifikationen und Mitgliedschaften (laut seinem Türschild und Visitenkarte), schien sehr kompetent zu sein. Er hat mich befragt und untersucht und danach zur Physiotherapie und Röntgen geschickt. Die Physiotherapie fand in der gleichen Praxis statt. Die junge Physiotherapeutin hat mit verschiedenen Methoden gleich mit der Linderung meiner Schmerzen begonnen. Sie war sehr gut ausgebildet und hat die Ursachen für meine Probleme sehr schnell entdeckt. Nach der Behandlung wurden wir zu dem im nächsten Gebäude befindlichen Röntgenlabor begleitet. Da wurden gleich die Aufnahmen gemacht, womit ich zum Orthopäde zurückgehen musste. Er hat sie nochmal angeschaut und seine Diagnose bestätigt. Wenn es mir bis Samstag nicht besser gehen sollte, sollte ich nochmal zu ihr zurückkommen und dann können wir ein MRI machen. Aber er war sehr zuversichtlich, dass die Physio mir gut helfen wird und ich nicht nochmal zu ihm kommen muss. Die Untersuchung, die Physiobehandlung bzw. 2 Mal 2 Röntgenaufnahmen kosteten jeweils 3000 pakistanische Rupee, also umgerechnet 10 Euro. Ich musste sie vorort in Bar oder mit Karte bezahlen. Ich war überrascht, wie schnell, organisiert und modern alles war. Mir wurde sofort professionell geholfen und alle sprachen sehr gut Englisch. In den kommenden Tagen hatte ich jeden Tag einen Termin bei der Phyisotherapeutin und mir ging es zum Glück tatsächlich jeden Tag besser.
Ihr müsst wissen, ich habe schon seit Jahren immer wieder ähnliche Probleme mit meinem Nacken/Rücken. Ich wurde in Deutschland immer wieder von Orthopäden untersucht und physiotherapeutisch behandelt. Es wurde mir immer geholfen und bald ging es mir besser. Eine Zeit lang. Ich wusste, dass viel Sitzen, Computerarbeit und Stress zwischen den Ursachen sein könnten. Aber ich musste bis Pakistan kommen, um auszufinden:
- Dass die Hauptursache wahrscheinlich meine schlechte Körperhaltung beim Blick auf den Bildschirm, ein Telefon oder ein Buch sein kann. Wenn wir unseren Kopf ständig nach vorne beugen, steigt die Belastung auf den Nacken enorm. Manche Muskel verspannen sich dauerhaft, andere werden dann zu schwach. Die Nackenwirbel (vor allem der 6. und 7.) drücken auf einander und können die Bandscheibe beschädigen.
- Wenn ich es vermeiden möchte, dass mein Problem immer wieder auftritt, sollte ich sehr konsequent auf meine Körperhaltung achten und meinen Kopf nicht dauerhaft nach vorne beugen. Ich muss meine Position auch regelmäßig ändern und stündlich meinen Nacken und Schulter dehnen.
- Was mir auch neu war, dass neben der manuellen Therapie auch andere Behandlungen existieren. Ich habe Elektrotherapie bekommen, die die Schmerzen sehr schnell und effektiv gelindert hat. Außerdem hat die Physiotherapeutin eine sog. Dry Needling Therapie angewendet. Diese Therapie ist sehr effizient in der Auflösung von Triggerpunkten. Triggerpunkte sind verhärtete Stellen im Muskelgewebe, die ggf. schon seit längerem bestehen und starke Schmerzen verursachen können.
Wenn ich diese Sachen früher gewusst hätte, hätte ich mir wahrscheinlich einige Schmerzen ersparen können. Aber besser später als nie.
Nach meiner letzten Behandlung am Samstag (in Pakistan arbeiten die meisten Menschen 6 Tage in der Woche, und die Praxis war auch am Samstag geöffnet) hat mich meine sehr nette Physiotherapeutein, Dr. Mahnoor gefragt, ob ich bereit wäre ein kleines Werbevideo für die Physiotherapiepraxis zu machen. Natürlich habe ich ja gesagt, ich war mit allem wirklich glücklich und zufrieden. Nach der Videoaufnahme haben wir noch ein paar Gruppenbilder mit Mahnoor und ihren Kollegen gemacht.
Am Dienstag kam auch Adam bei Sami vorbei, da er hier seine Bremsen reparieren lassen wollte. Er hatte auch unsere Wasserpumpe dabei, die er von Hussain (aus Sheikupura) mitgebracht hat. (Wieder mal diese kleine Overlander-Welt!)
Am Mittwoch hat Marc versucht, die neue Pumpe einzubauen, aber sie funktionierte überhaupt nicht. Sie sprang an, aber förderte überhaupt kein Wasser. Nach dem Fiasko hat Marc wieder unsere alte Pumpe zurückgebaut, aber der Schalter ist leider immer noch kaputt. Sami hat gesehen, wie Marc da bastelte und hat seine Hilfe angeboten. Er hat die Pumpe und den Schalter angeschaut, aber sie konnten leider auch zusammen das Ding nicht reparieren. Sami nahm danach den Schalter einfach mit und fuhr zu einem Elektroladen, wo er den GLEICHEN Schalter gefunden hat. Marc hat ihn eingebaut und endlich, nach ewiger Fummelei und Ärger funktioniert jetzt unsere Pumpe wieder so, wie sie soll!
Da uns langsam die Decke auf den Kopf fällt und wir von Islamabad noch ganz wenig gesehen haben, machten wir am Donnerstag ein bisschen Sightseeing. Wir fuhren mit einem Taxi zur großen, modernen Schah Faisal Moschee. Die Moschee ist einer der größten in Asien. Die Haupthalle kann ca. 10000 Gläubige aufnehmen, während der Hof noch weiteren 64000 Menschen Platz bietet. Sie wurde zwischen 1976-86 gebaut und kostete damals mehr als 50 Mio USD. Ein Großteil der Finanzierung war das Geschenk von Saudi Arabiens König Faisal. Das geometrische Design (dessen Model ein Wüstenzelt sein soll) stammt von einem türkischen Architekten. Die 4 großen Minarette sind jeweils 88 m hoch. Und nein, das sind keine Raketen. Auch drinnen sind keine Raketen versteckt.
Die Größe der Moschee hat uns beeindruckt. Leider konnten wir das Innere aber nicht anschauen, weil die Türen geschlossen waren. Drinnen schien ein Koranunterricht stattzufinden.
Danach fuhren wir zum Pakistan Monument. Das zwischen 2004-2006 gebaute blumenförmige Denkmal thront auf einer Bergkuppe.
Es symbolisiert die Einheit von Pakistan, zeigt seine Unabhängigkeit, Stärke und reiche Geschichte. Die 4 Blütenblätter repräsentieren die 4 Hauptkulturen von Pakistan: Punjabi, Balutsch, Sindhi und Pakhtun, die 3 kleinere Blätter die Minderheiten Azad Kaschir und Gilgit-Baltistan.
Unterhalb des Denkmals gibt es auch ein Museum.
Hinter dem Monument befindet sich eine Aussichtsplattform, von der aus man Islamabad aus der Vogelperspektive sehen kann. Hier kann man auch gut erkennen, dass (für uns überraschend) Islamabad eine sehr moderne, aber grüne Großstadt ist, mit breiten, geraden Straßen und vielen modernen Gebäuden ist. Wie ihr es denken könnt, ist es kein Zufall, dass alle Straßen breit und schnurgerade sind, und sie exakt gleiche Quadrate definieren. Islamabad ist, wie Chandigarh, auch eine Planstadt, die nach der Partition in den 1950-60-er Jahren geplant und gebaut wurde.
Die Shah Faisal Moschee in der Ferne:
Erst am Freitagabend haben wir alle Teile zusammen gehabt und am Samstag konnte Sami anfangen, endlich alles wieder zusammenzubauen.
Danach mussten sie noch das Rad auf der anderen Seite und alle Bremsen prüfen. Es war schon spät abends, als wir für unsere Probefahrt aufgebrochen haben. Wir sind 60 km in Richtung Lahore zu dem Parkplatz zurückgefahren, wo wir auf dem Hinweg übernachtet haben. Leider wurde das Rad und die Achse wieder warm, aber noch nicht sehr heiß. Nach einer ruhigen Nacht am Rastplatz sind wir Sonntag früh wieder nach Islamabad zurückgefahren. Die Achse wurde wieder heißer, schon um die 80 Grad. Als wir in Islamabad waren, haben wir unsere Wassertanks befüllt und sind auch Diesel tanken gegangen. Wir wollten auch eine SCO SIM-Karte für Nordpakistan besorgen, aber im Hostel, wo man sie hätte kaufen können, war keiner. Das Hostel war sowieso ein bisschen kurios. Es war in einem Wohnkomplex, der eigentlich schon fertig sein sollte, aber aussah wie eine verwesende Baustelle.
Wir haben danach noch eine Probefahrt gemacht und dabei ist die Achse wieder 100 Grad heiß geworden. Wir wussten, wir können so nicht weiterfahren, wir müssen nochmal zu Sami. Die Achse muss nochmal aufgemacht und die Ursachen gefunden werden. Auf dem Rückweg gingen wir noch einkaufen. Danach haben wir die Nacht wieder auf dem Hof vor der Werkstatt verbracht. Wir hofften stark, dass wir Fritzchen morgen endgültig heilen können.
Montag früh haben Sami und Marc die Achse wieder geöffnet. Sie haben gleich mehrere Ursachen für die hohe Temperatur gefunden: die Bremse war zu fest, die Befestigung der Achse zu stark und die neuen Lager, die eingebaut worden sind, haben versagt. Also wieder neue Teile bauen lassen, wieder alles zusammenbauen und wieder testen.
Es war schon Dienstag, als wir endlich in die Richtung der Berge losfahren konnten.