24. Juli 2024, Mittwoch – Ushguli

Ursprünglich war mein Plan, eine viertägige Wanderung von Mestia nach Ushguli vorzunehmen. Ich habe gehört die Wanderung sei schön, herausfordernd, aber gut zu schaffen. Als ich aber meinen Plan meiner Familie erläuterte, war der Wiederstand groß. Vor allem die Kinder wollten nicht vier Tage damit „verschwenden“ wieder mal in den Bergen zu wandern. Nach fast einem Jahr Reisen hatten sie jetzt schon das Gefühl, genug Berge, Moscheen und andere Sehenswürdigkeiten gesehen und erwandert zu haben. Sie wollten jetzt so schnell wie möglich nach Hause kommen, sich mit ihren Freunden treffen und noch ein bisschen mit ihnen die Sommerferien zu genießen. Ich habe ihre Gefühlslage und Argumente verstanden, aber ich fand es sehr schade, diese Gelegenheit zu verpassen. Aber wir sind zu viert in dieser Familie und die Mehrheit wollte nicht wandern. Also haben wir uns entschieden, nur eine kleinere Wanderung zum Gletscher zu machen (gestern) und Ushguli mit dem Auto zu besuchen. Wir hatten allerdings die Information, dass die Straße nach Ushguli sehr schlecht sei. Marc hatte schon genügend Offroad und wollte Fritzchen nicht weiter strapazieren als nötig, also entschieden wir uns, einen Guide mit einem Auto anzuheuern. Wir trafen ihn und zwei weitere Touristinnen, die mit ihm fahren wollten, frühs vor dem Kulturzentrum.

Am Anfang war die Straße gar nicht so schlecht, wie wir gedacht haben und wir hatten einen tollen Ausblick auf die Berge und kleine Dörfer.

Wir hielten bei dem Tower of Love (Turm der Liebe) an. Wie unser Guide es erzählt hat, war der ein typischer swanetischer Wehrturm. Den Namen hat er von einer Legende erhalten. Es war einmal, dass Miaguli Pirveli, eine wunderschöne, junge Frau hat bei dem Kvirikoba Festival einen begabten Jäger namens Otia Margvelani getroffen. Sie haben sich sofort ineinander verliebt, aber Otia war verheiratet und hatte fünf Kinder. Miaguli wollte die Familie ihres Lieben nicht ruinieren. Otia war sehr traurig über diese Geschichte. Er ist jagen gegangen, wobei er in den Fluss fiel und starb. Seine Frau konnte den Schmerz ihres Mannes Todes nicht ertragen und ist auch in den Enguri Fluss gesprungen. Laut der Legende verwandelten sich Mann und Frau in Karpfen. Miaguli hat ihren Vater gebeten, am Fluss einen Turm zu bauen, wo sie ihr Leben lang lebte und jeden Tag die Fische fütterte. Wenn der Wasserstand des Enguris niedrig ist, erscheint eine klare Quelle unterhalb des Felses, auf dem der Turm gebaut wurde. Man sagt, dies sind Miagulis Tränen.  

Der Turm hat innen 3 Stockwerke, die mit senkrechten Leitern verbunden sind. Wir kletterten hoch, schauten aus dem obersten Fenster und fühlten uns wie Rapunzel.

Nach dem Turm der Liebe wurde die Straße immer schlechter. Hier waren wir schon froh, dass wir nicht mit Fritzchen gefahren sind.

Nach circa einer Stunde kamen wir in Ushguli an. Ushguli ist die bekannteste Dorfgemeinschaft unter den Bergdörfern von Oberswanetien. Sie besteht aus vier Ortsteilen am oberen Ende der Enguri-Schlucht.

Diese sind über eine Strecke von nur knapp zwei Kilometern entlang des Tals des Enguri verteilt: von Murqmeli, am rechten Ufer in knapp 2100 m Höhe gelegen über Tschaschaschi und Tschwibiani bis Schibiani in fast 2200 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Die drei oberen Ortsteile liegen am linken Flussufer; Schibiani nur acht Kilometer unterhalb des Gletschers, dem der Enguri entfließt, und zwölf Kilometer südwestlich des Berges Schchara, des dritthöchsten Gipfels des Großen Kaukasus und höchsten Berges Georgiens.

Ungefähr 70 bis 80 Familien (circa 200 Menschen) leben dauerhaft in der Dorfgemeinschaft, in der es eine kleine Schule gibt. Während der touristischen Hauptsaison im Sommer steigt die Bewohnerzahl bis auf das Doppelte. Für bis zu sechs Monate im Jahr liegt in Uschguli Schnee, weshalb die Straße in die 44 Kilometer entfernte Regionshauptstadt Mestia häufig gesperrt ist.

Uschguli ist bekannt für seine Wehrtürme und der Ortsteil Tschaschaschi ist seit 1996 Teil des UNESCO-Welterbes, in der Sowjetunion war er bereits seit 1971 als Uschguli-Tschaschaschi-Museum geschützt.

Wir hatten leider keine gute Sicht auf Schara, den höchsten Berg Georgiens mit seinen 5201 m.

Wir haben unser Mittagessen in einem lokalen Restaurant genossen. Überraschenderweise war hier in fast jeder Speise Koriander, was die Auswahl unseres Essens ziemlich erschwert hat. Die Kinder haben am Ende Burger mit Pommes bestellt, da kann man nicht viel falsch machen.

Nachdem Essen hatten wir noch ein bisschen Zeit bis zu unserem Treffen mit dem Guide und wir gingen nochmal in den UNESCO-Teil des Dorfes, Tschaschaschi, spazieren.

Danach trafen wir uns wieder den anderen und fuhren gemeinsam hoch zur Lamaria Kirche. Als wir das Auto parkten, merkten wir, dass Reinhold Messner und seine Entourage auch gerade zu Besuch waren. Marc sprach ihn höflich an und er hat uns erlaubt, ein Bild mit ihm zu machen. So hat Marc ein Erinnerungsfoto mit seinem Kindheitsheld.

Nach dem Foto besuchten wir die Kirche. Die Uschguli-Kirche des Muttergottes, bekannt als Lamaria, ist eine mittelalterliche orthodoxe christliche Basilika im Dorf Schibiani. Die Kirche soll im 9. bis 10. Jahrhundert erbaut worden sein. Sie liegt auf einer Höhe von 2100 Metern über dem Meeresspiegel.

Die Kirche ist von einer Mauer umgeben, die an der Westseite mit einem swanetischen Turm und zwei kleinen zusätzlichen Gebäuden endet. Die Basilika im Inneren ist sehr klein, dunkel und die Stoa befindet sich am Südeingang und bildet einen halbkreisförmigen Korridor nach Westen. Die Kirchenmauern sind vollständig mit Fresken bedeckt. Die verschiedenen Schichten von Gemälden stammen aus den verschiedenen Epochen des Mittelalters. 

Von Lamaria aus könnten Besucher den Blick auf den höchsten Gipfel Georgiens – Schchara (5201 m) – genießen, wenn er nicht, wie bei uns, komplett von Wolken verdeckt wäre. 

Wir fuhren dann zurück nach Mestia zu unserem Fritzchen, der weiterhin am Hauptplatz stand.

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