3. Oktober 2023, Dienstag – Van zu Grenze Kapiköy/Razi und Weiterfahrt nach Khoy

Marc und ich haben wir für uns einen Wecker für 6:30 gestellt. Wir haben noch die letzten Vorbereitungen für den Grenzübergang gemacht. Den ganzen Alkohol haben wir schon entweder verschenkt oder getrunken, Visum und Carnet de Passage (Zolldokument für das Auto) lag schon in der Fahrerkabine neben den Pässen. Wir haben Erfan, einen netten Student aus Khoy kontaktiert (danke Markus für die Kontaktinformationen). Er hat uns geraten, früh an der Grenze zu sein, um größeren Menschenmassen zu vermeiden. Es war Feiertag im Iran, aber es sollte kein Problem sein, die Grenze zu überqueren.

Der Weg zur Grenze war wunderschön. Die Sonne schien und die Landschaft war beeindruckend im goldenen Licht. Wir waren wieder auf fast 2000 m, aber das hat man gar nicht gemerkt.

Wir waren um 8:45 Uhr an der Grenze. Vor uns waren nur vier Fahrzeuge und das Wetter war wunderbar. Wir haben gedacht, es wird alles schnell und einfach. Die türkische Seite hat die Schranke um 9:00 Uhr pünktlich geöffnet. Die Kinder und ich mussten durch eine überdachte Passagierpassage gehen, Marc musste mit Fritzchen über die Grenze fahren. Wir waren schnell durch und warteten zwischen den Grenzen auf einem Hof auf Marc. Erstmal war das Wetter schön und wir noch fit und geduldig. Wir haben Fritzchen durch den Zaun in der Ferne sehen können, aber 1,5 Stunden lang passierte gar nichts. Es wurde kälter, wir bekamen Hunger und mussten auf die Toilette. Dann kam endlich Fritzchen zum Tor neben uns. Aber er und Marc durften doch nicht durch. Wie mir Marc über den Zaun hinweg zugerufen hat, hatte das türkische Zoll ein IT-System-Problem und sie konnten Fritzchen nicht im System erfassen. Darauf hat Marc schon 1,5 Stunden gewartet. Danach hatte der Mann hinten genug vom Probieren und hat Marc (und Fritzchen) weitergeschickt. Aber der Beamte am Tor hat sie nicht durchgelassen. Solange Fritzchen nicht im System sei, könne er nichts machen, sagte er zu Marc. Marc musste zurück zu dem ersten Beamten, wo er bis jetzt schon 1,5 Stunden lang war.

Wir hatten auch genug. Wir hatten weder Jacken, noch Essen, noch Geld dabei. Ich habe einen jungen Beamten angesprochen, der zum Glück Englisch konnte. Ich habe ihm unsere Situation geschildert. Er wollte sofort helfen. Als Erstes hat er seinen Kollegen gefragt, was los ist. Danach wurde klar, dass sie auch nicht verstehen, warum das System nicht funktioniert, aber sie können nichts machen. Marc kann nicht zu uns und wir können nicht zu ihm. Aber der Beamte hat gesagt, dass wir in die Passagierhalle zurückgehen können, dort wo die Passkontrolle auf der türkischen Seite stattgefunden hat. Dort ist es wenigstens ein bisschen wärmer, es gibt Toiletten und wir können ein paar Biskuits zum Essen kaufen. Als ich ihm gesagt habe, dass ich kein Geld habe, hat er in seinem Geldbeutel gekramt und alles, was als Bargeld drin war (25 TL = ca. 90 Cent) uns gegeben. Er hat sich sogar entschuldigt, dass er nicht mehr geben kann. Unglaublich!

Und die Freundlichkeit der Menschen hatte hier noch keine Ende. Wir sind in die Passagierhalle gelaufen. Ich bin kurz auf die Toilette gegangen und habe die Kinder in das Geschäft geschickt, um irgendetwas essbares für 25 TL zu kaufen. Als ich zu ihnen kam, hatten sie nur eine Packung Salzstange in der Hand. Sie soll 10 TL kosten. Es gab keine Preise ausgeschildert, also ich habe versucht, ein paar andere Preise (von Keksen, die eine bisschen größere Packung hatten) zu erfahren. Im Laden waren 5 Leute, aber keine(r) konnte Englisch. Mit Google Translate konnte ich einem von ihnen erklären, dass wir nur 25 TL haben, wir noch warten müssen und etwas essbares kaufen möchten. Daraufhin hat er zwei Packungen Kekse (eine herzhafte und eine süße) zusammengesucht und mir gegeben. Ich habe sie bezahlt und wir haben uns vor dem Laden auf die Stühle gesetzt. Zwei Minuten später lief der Mann vom Laden mit drei Sandwiches auf uns zu. Er hat in Google Translate schon Folgendes eingegeben: „Warte bitte zwei Minuten, ich mache sie warm, danach könnt ihr sie essen.“ Wir konnten nur schnell Danke sagen, dann war er weg. Und er kam in fünf Minuten tatsächlich mit drei getoasteten Sandwiches zurück. In seinem Telefon konnte ich Folgendes lesen: „Das ist mein Geschenk an euch, bitte genießt es.“ Wir haben uns mehrmals ausführlich bei ihm gedankt. Seine Sandwiches waren lebensrettend. Unglaublich, wie herzlich und großzügig die Menschen in der Türkei sind!

Zwischenzeitlich konnten wir kurz mit Marc reden, aber die Situation hatte sich nicht verändert. Erst nach einer weiteren Stunde kam die Nachricht, dass wir weiter dürfen. Also waren wir endlich wieder vereint. Wir mussten jetzt nur die iranische Grenze überqueren. Wir mussten wieder separat laufen und Marc musste wieder mit Fritzchen bleiben. Wir waren wieder schnell ohne Vorkommnisse durchgekommen. Und Marc kam wieder nicht. Diesmal haben wir ihn und Fritzchen nicht einmal sehen können. Irgendwann, nach einer weiteren Stunde war er da. Er hat erzählt, dass Fritzchen sogar zweimal durchgesucht worden. Erstmal von den normalen Grenzbeamten, die sehr freundlich waren und danach nochmal von einem „hohen Tier“ im Anzug, den die anderen offensichtlich fürchteten. Die haben alle nichts gefunden und alles war gut. Marc musste allerdings nochmal mit den Fixern zurück in die Halle laufen, um das Carnet de Passage abzustempeln. Nach einer weiteren halben Stunde warten war es endlich so weit. Wir waren fertig und durften fahren. Wir wollten nur noch den Fixer für seine Dienste bezahlen. Wir wussten, dass der richtige Preis 10 EUR oder USD ist. Als Marc den Fixer gefragt hat, hat er aber 100!!! USD genannt. Eine hitzige Diskussion hat angefangen. Irgendwann habe ich Marc gesagt, er solle den Motor starten und ihm sagen, dass er entweder die 10 EUR nimmt oder er gar nichts bekommt. Der Fixer hat laut geschimpft, aber doch die 10 EUR genommen.

Die Straße war ganz anders, als in der Türkei. Eng, ohne Leitplanke, voll mit alten Autos.

Aber wir sind ohne weitere Ereignisse in Khoy angekommen. Hier waren wir bei einem Park mit Erfan verabredet. Als wir ankamen, war er noch nicht da. Wir haben uns erstmal Mittagessen gemacht (es war schon spät Nachmittag) und als wir fast fertig gegessen haben, war er schon da.

Erfan ist ein sehr netter junger Iraner, der angeboten hat, uns beim Geldwechseln, der Versicherung, SIM-Karte besorgen und Dieselkauf zu helfen. Wir haben ihn sofort sehr sympathisch gefunden und erstmal uns ausführlich über uns und ihn unterhalten. Danach sind wir mit Snapp (dem iranischen Uber) und mit Erfans Mama und Bruder mit Frau in die Stadt gefahren. Wir haben Handyhüllen und SIM-Karten gekauft und er hat uns die Innenstadt und den Basar gezeigt. (Da es schon spät war, waren die Läden im Basar schon zu.) Wir haben frisches Brot gekauft und sofort probiert (sehr lecker!) und als Straßen-Süßigkeit gekochte Zuckerrüben. Danach wurden wir zu Erfan’s Elternhaus zum Abendessen eingeladen. Wir durften seine Mama und seinen Papa kennenlernen und zusammen ein sehr leckeres, von Erfans Mama gekochtes Abendessen genießen. Da sie leider kein Englisch sprachen, mussten wir uns mit Hilfe von Google Translate unterhalten. Aber es war trotzdem ein sehr schöner Abend und wir waren voller Dankbarkeit, dass wir so einen Einblick in das Leben einer iranischen Familie, ihrer Kultur und ihrer Cuisine bekommen durften. Es war schon sehr spät, als wir mit einem Snapp-Taxi zurück zum Park zu Fritzchen gefahren sind.

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