Aus der Halbwüste wurde eine flache, aber fruchtbare Gegend, wo viel Landwirtschaft betrieben wurde.
Wir fuhren auf einer relativ befahrene Landstraße, als wir von der Polizei rausgewunken wurden. Sie wählten uns offensichtlich gezielt aus. Der Polizist kam zu unserem Auto und wollte die Papiere haben. Marc hat ihm sie gegeben. Danach wurde er gebeten, zum Polizeiauto zu kommen. Wir blieben im Fahrzeug. Als er länger nicht zurückkam, überlegte ich, ob ich auch aussteigen sollte, entschied mir aber dagegen. Wie ich später von Marc erfuhr, lief es im und um das Polizeiauto wie folgt ab. Die Polizisten haben ihm ein Bild aus einem Video gezeigt, wo zu sehen war, dass wir uns bei durchgezogener Linie neben einem Lkw auf der Gegenfahrbahn befinden. Sie behaupteten, wir überholten bei Überholverbot und das wäre eine schwerwiegendes Tat, wofür sie Marcs Führerschein für 6 Monate einbehalten könnten. Da sie keiner Fremdsprache mächtig waren, wurde alles mit Google Übersetzer kommuniziert. (Die Übersetzungen machten natürlich nicht immer Sinn.) Der Fahrer war auf dem Bild nicht zu erkennen. Marc hat ihnen gesagt, dass wir auf der Durchreise sind und sie kein Recht haben, seinen deutschen Führerschein einzubehalten. In einem günstigen Moment hat er auch alle seine Dokument aus der Hand des Polizisten genommen und sie in seine Hosentasche gesteckt. Der Polizist war sehr überrascht und wollte die Dokumente zurück. Er sagte, Marc ist verpflichtet sie ihm auszuhändigen, wenn er darum bittet. Worauf Marc sagte, dass dies nicht der Fall sei, er müsse sie ihm nur zeigen, was er gerne macht. Aber er gibt seine Dokumente nicht aus seiner Hand raus. Die Polizisten versuchten, noch telefonisch jemanden dazu holen, der English konnte, aber Marc hat mit der Person nur Deutsch gesprochen, worauf diese dann aufgab und das Telefonat beendete. Da Marc seine Dokumente hatte und nicht bereit war, zu kooperieren und die Kommunikation auch schwierig war, wussten die Polizisten nicht weiter. Sie haben Marc gesagt, sie werden das Video und ihr Protokoll in das Polizeisystem hochladen und wir werden bei dem nächsten großen Chechkpoint vor Machatschkala, die Hauptstadt Dagestans, in ca. 80 km angehalten. Da wird euch ein Übersetzer sein und wir werden dann bestraft. Danach sind sie ohne weiteres weggefahren. Es war ganz komisch. Sie haben es zwar nicht erwähnt, aber wir denken sie wollten Geld. Sie wollten Marc mit dem Führerscheinentzug einschüchtern, um nachher zur Verhandlung zu kommen. Da Marc aber nicht kooperierte und sich nicht einschüchtern lies, haben sie es aufgegeben. Wir denken auch, dass sie eigentlich ganz genau wussten, dass sie nicht beweisen konnten, dass wir was falsches gemacht haben, da beim Überholen nur relevant ist, wo man das Überholmanöver ANFÄNGT. Wenn man beim Anfang die durchgezogene Linie überschreitet (also man sich NACH dem Überholverbotsschild befindet), dann ist es ein Regelverstoß. Sie haben uns aber nur ein Bild WÄHREND des Überholens gezeigt.
Wir wussten zwar, dass wir nicht nach Machatschkala fahren werden (wir wollten grundsätzlich nicht dorthin, sondern zum Sulak-Canyon) und sie uns nicht bei dem erwähnten Checkpoint anhalten werden können, aber wir hatten Bedenken, dass sie das vielleicht bei dem Checkpoint vor der Tschetschenischen innenrussischen Grenze machen werden. Deshalb war das erste was wir gemacht haben, als wir beim Sulak-Canyon anhielten, die Videos von unseren Kameras anzuschauen. Und in den Aufnahmen konnten wir genau das sehen, was wir gedacht haben: Wir haben das Überholungsmanöver eindeutig bei einer gestrichelten Linie angefangen, also vor dem Überholungsverbotsschild. Übrigens, das Schild konnten wir gar nicht sehen (war auch auf den Videos auch nicht sichtbar), weil es von dem überholten Lkw verdeckt war. Wir waren dann ein bisschen beruhigt, da wir wussten, dass wir sogar beweisen können, dass wir nichts falsches gemacht haben.
Wir befanden uns auf dem Parkplatz des Sulak-Canyons. Der Sulak-Canyon ist der tiefste Canyon Europas, der vom Fluss Sulak in Dagestan, Russland, geformt wurde. Der Sulak Canyon ist 53 Kilometer lang und erreicht eine Tiefe von 1920 Meter. Er ist 63 Meter tiefer als der Grand Canyon in den USA und 620 Meter tiefer als der Tara River Canyon im Balkan.
Der Ort war ziemlich touristisch. Es gab alles übliche: Selfie-Points, Restaurants und Souvenierläden. Wir liefen vom Parkplatz zum Aussichtspunkt. Kaum kamen wir an, wurde Marc von einen wütenden jungen Mann angesprochen. Wir haben ihn nicht verstanden, aber es war klar, er hat sich so aufgeregt, weil Mira eine kurze Hose anhatte. Mira ging (ziemlich schmollend) zum Auto zurück, und hat eine lange Hose angezogen. Nachher haben wir gesehen, dass bei den oberen Parkplatz sogar ein Schild stand, das der erwünschte Kleiderordnung darstellte. Es wurde wieder klar, wir befanden uns zwar in der russischen Föderation, aber nicht in Russland. Wir befanden uns in Dagestan, eine tief muslimische Republik.
Wir haben von dem ersten Aussichtspunkt, wo sich sehr viele Menschen tummelten, einen weiteren Aussichtspunkt gesehen, wo es natürlicher aussah. Wir haben die kleine Wanderung dorthin gemacht und wurden nicht enttäuscht. Hier hatte man ein noch schöneren Aussicht, ohne die Menschenmassen.
Nach der kleinen Wanderung liefen wir zurück zu Fritzchen. Es war warm und wir wollten die Nacht am Wasser verbringen. Deshalb fuhren wir zum Stausee Chirkeskoye Reservoir, der von oben schon zu sehen war.
Wir haben für uns einen Platz in einer kleinen Bucht ausgesucht, weil diese sehr privat war, und man konnte dort dann auch im Bikini baden. Aber als wir hinfuhren, fanden wir die Bucht mit 3 Fahrzeugen und einer großen Familie komplett besetzt. Wir mussten dann einen anderen Platz für die Nacht suchen. Wir haben auf dem nächsten Hügel einen schwarzen Minibus gesehen. Es schien ob dieser Hügel für uns flach genug wäre, um die Nacht dort zu verbringen. Wir fuhren dann dort hin.
Kurz bevor wir dort ankamen, lief ein Mann auf uns zu. Er hat erklärt, es sei sein Land, da unten ist sein Bootsanlegestelle mit Speedboats. Wir können gerne auf den Hügel fahren und dort für die Nacht bleiben, es sei sicher und wir seien herzlich willkommen. Wir erfuhren, dass sein Name Hamza sei und er in seinen Speedboats Touristen auf den See herausfährt. Er war sehr nett und konnte ein bisschen Englisch, aber nicht sehr gut. Als wir dann auf dem Hügel ankamen und neben dem schwarzen Minibus parkten, kamen gerade die Männer vom Minibus vom Wasser wieder zurück. Sie waren russische Touristen aus Moskau und St. Petersburg, und einige von ihnen sprachen sehr gut Englisch. Sie waren von Fritzchen sehr angetan und wollten ihn anschauen. Sie haben uns auch gesagt, dass Hamza uns zum Bootsfahrt einlädt. Es sei umsonst, und wir sollen es mitmachen, es sei toll. Sie haben selber heute nachmittags so einen Ausflug gemacht und sie waren begeistert. Erstmal haben wir das Angebot abgelehnt, aber danach haben wir uns überzeugen lassen und liefen mit Hamza zu seinem Steg. Wir haben Rettungswesten bekommen und stiegen mit 3 lokalen Touristen zusammen in dieses Boot.
Wir saßen hinten, die anderen vorne. Hamza fuhr.
Marc und Hamza
Aber als erstes hat er sehr laute Partymusik angemacht, die aus den Lautsprechern in dem Bügel neben uns ertönte. Dann fuhren wir mit wahnsinniger Geschwindigkeit los. Wir machten Slalom oder Kreise, wobei wir uns richtig in Schräglage befanden. Es war ein echter „Crazy-Ride“. Hamza aber war ein guter Kapitän, er wusste ganz genau was er machte. Wir fühlten uns niemals in Gefahr, er hat die Grenzen des Bootes ganz genau gekannt. Wir hatten alle nur ein riesiges Grinsen auf unseren Gesichtern, als der Wind unsere Haare wehte, Wasser auf uns spritzte und die laute Musik uns umgab.
Wir fuhren dann in eine kleine Bucht auf der anderen Seite des Sees, wo wir uns kurz anhielten. Hier hat der eine Einheimische (und teilweise auch Hamza) angefangen zu tanzen. Sie haben uns auch dazu animiert, aber wir haben diese Einladung dankend abgelehnt.
Die Rückfahrt war genauso schön, wie die Hinfahrt. Die untergehende Sonne hat noch ein I-Tüpfelchen auf das auch schon perfekten Erlebnis draufgesetzt.
Nach dem Anlegen haben wir uns bei Hamza für die unglaubliche Tour bedankt. Wir wurden von ihm noch auf einen Chai eingeladen. Er musste mit neuen Gästen wieder aufs Wasser, aber ein anderer Mann hat uns aus dem Samovar heißen Tee eingeschenkt. Wir haben noch den Tee genossen, bevor wir uns verabschiedeten und zum Fritzchen zurückliefen. So ist reisen, voll mit Überraschungen. Das ganze unglaubliche Erlebnis entstand nur, weil unser ursprünglich ausgesuchte Platz am See besetzt war…