Mira hatte gestern Abend schon den Wunsch, Pferde zu reiten, bevor wir das Pferdeland Kirgistan verlassen. Aber als sie diesen Wunsch äußerte, haben wir die Jurten mit kirgisischen Familien mit vielen Pferden schon hinter uns gelassen. Heute wollten wir es trotzdem versuchen und fuhren ein paar Kilometer zurück bis zur ersten Straßenkreuzung mit einem kleinen Laden, ein paar Jurten und einer Pferdeherde. Wir haben versucht, uns mit der jungen Frau aus dem Laden zu verständigen. Sie verstand ein bisschen Englisch, aber sie hat gesagt, dass es hier es nicht möglich ist, Pferde zu mieten bzw. zu reiten.
Wir wollten uns damit nicht länger aufhalten und fuhren dann weiter in Richtung Toktogul See. Als wir auf der anderen Seite der Bergkette runterfuhren wirkte die Landschaft eher Alpine (ausgenommen natürlich die Jurten.)
Wir wollten eine Nacht am See verbringen. Wir hatten einen Platz direkt am dem Seeufer auf IOverlander ausgesucht. Google hat uns zuerst auf den falschen Weg geschickt. Erst als wir nicht weiterkamen (und zum Glück in der Nähe des Dorfes auch Internet hatten), konnten wir auf dem Satellitenbild den richtigen Weg finden.
Bevor wir das Ufer erreicht haben, haben wir noch ein russisches Overlanderpärchen getroffen, die oben am Hang gecampt haben. Sie haben uns erzählt, dass 5 Minuten vorher ein französisches Auto vorbeigefahren ist. Wir haben Nathan und Natacha mit ihrem Landrover auf dem Ufer getroffen. Wir hielten nicht weit entfernt von ihnen an. An diesem Fleckchen gab es aber leider kein Internet, worüber Marius sich lautstark beschwerte. Da Natasha und Nathan Internet hatten, haben wir uns entschieden, an ihrem Plätzchen vorbeizufahren und auf ihrer anderen Seite zu parken. Ich habe mich noch mit ihnen unterhalten, als Marc mit Fritzchen zum neuen Platz (20 m weiter) fahren wollte. Das nächste was wir merkten war, dass Fritzchen mit dem linken Hinterrad bis zur Achse im Matsch stand. Das rechte Hinterrad war auch versunken, aber nicht so tief. Marc hat beim fahren nicht gemerkt, dass der Boden nicht überall hart war, wie es von weitem aussah. Es gab ab und zu Wasserdurchläufe, die den Boden in weichen Matsch verwandelten. An genauso einer Stelle versank Fritzchen. Wir haben sofort angefangen zu graben. Nathan und Natasha waren auch gleich dabei, sie waren uns eine riesengroße Hilfe. Während Nathan und Marc das Rad ausgruben, schaufelte ich mit Marius einen neuen Kanal für das dauernd nachlaufende Wasser.
Da das ganze linke hintere Ecke und die Achse auflag, haben die Jungs mit einem großen Wagenheber (Highjack) die Ecke hochgepumpt. So weit es ging, bevor der Hebelarm das 3 tonnen Highjack sich verbog. Es hat trotzdem dazu gereicht, dass wir alles aus dem klebrigen Matsch ausgraben und mit großen Steinen unterlegen konnten.
Danach kam er erste Versuch um rauszufahren, was leider komplett scheiterte. Der Matsch war so weich, dass die Steine nicht genügend Haft bieten konnten. Als nächstes haben wir unsere Sandbleche runtergeholt und unter den hinteren Reifen gelegt. Das funktionierte super und wir kamen 1,5 m näher zu dem festen Boden. Als das linke Hinterrad das Ende des Sandblechs erreichte, versank es leider wieder im Matsch. Die Wohnkabine war schiefer denn je, da das rechte Hinterrad schon oben stand und das linke noch tiefer als vorher in der weichen Masse eingegraben war. Wir haben wieder gegraben und probiert, aber wir kamen dann nicht mehr weiter. Es wurde langsam Abend und wir hatten dann keine Wahl, wir mussten Hilfe holen. Nathan und Marc sind mit Nathans Wagen ins nahelegende Dorf gefahren, um einen Traktor zu finden. Wir blieben zwischenzeitlich da, die Kinder in Fritzchen, ich mit Natacha draußen. Wir haben die Bergegurte aus den Kisten rausgeholt und uns über unser Leben unterhalten. Währenddessen konnten wir den schönsten Sonnenuntergang beobachten, den ich jemals gesehen habe. Der Himmel war rot und am fernen Horizont vor der Sonnenröte hingen Regenwolken, dessen „Regenfüße“ sich fast bis zum Boden reichten. Dieser Naturschauspiel war richtig spektakulär.
Kurze Zeit später kamen Nathan und Marc zurück. Sie mussten nicht mal bis zum Dorf fahren, schon auf dem Weg trafen sie einen Bauern, der ein paar Leute anrief und uns einen Traktor organisierte. Es sollte 5000 Som (ca. 50 Euro) kosten. Der niegelnagelneue Traktor war in 10 Minuten tatsächlich da. Auf den Rat des Traktorfahrers haben wir das Loch, das jetzt vor dem linken Hinterreifen war, mit Steinen aufgefüllt, um zu vermeiden, dass das linke Vorderrad darin versinkt. Wir haben Fritzchen mit unserem Bergegurt an den Traktor gebunden. Als der Traktor angefangen hat zu ziehen, ist Marc mit Fritzchen gleichzeitig rückwärts gefahren. Gleich bei dem ersten Versuch war Fritzchen auf dem trockenen und harten Boden. Wir waren echt glücklich, dass es mit dem Traktor so schnell und ohne großen Schaden gelungen ist, uns aus der missliche Lage zu befreien. Als Belohnung haben wir mit Nathan und Natasha ein Bier bzw. Gläschen Wein getrunken und uns für ihre unermüdliche Hilfe bedankt. Nathan und Natacha, wenn ihr das liest, wir möchten uns auch nochmal hier für eure selbstlose, sofortige und sehr tatkräftige Hilfe bedanken.
Wir haben alles an Ort und Stelle liegengelassen und gingen dann ins Bett.
Am nächsten Tag waren wir so kaputt und alles war so dreckig, dass wir uns entschieden haben, noch einen Tag am Toktogul See zu bleiben.
Wir mussten alles aufsammeln, was wir gestern Abend rund um Fritzchen liegen gelassen hatten, saubermachen und wieder einräumen. Innen war auch alles schlammverkrustet, dort mussten wir alles absaugen und abwischen. Als wir die Schäden in Inventar nehmen wollten, ist uns erst aufgefallen, dass wir unseren Pipitank-Deckel samt Außenschlauch (wahrscheinlich schon auf dem Weg hierhin) verloren hatten. Marc hat ihn nach dem letzten Entleeren nicht auf den Tank festgemacht und jetzt hing unser Pipischlauch einfach lose vor sich hin und der Tank war offen. Wir hatten einen zweiten Deckel, aber dieser hat kein Loch in der Mitte für den Schlauch. Wir müssen irgendwann noch einen Deckel besorgen, um nicht jedem Abend den Deckel entfernen und Pipischlauch in den Tank hängen müssen. Außerdem, wenn der Tank offen ist, riecht er natürlich ein bisschen, was auch nicht so schön ist.
Unser kleines Vergraben-Malheur hat zum Glück keine großen Schäden am Fritzchen verursacht, neben dem Verbiegen und Kaputtgehen unseres Highjacks ist nur das Ende unseres Abwasserschlauches abgebrochen.
Da wir an einem Ort standen und auch Zeit hatten, kochten wir mal wirklich ausgiebig und backten auch Brot. Abends habe ich John und Mariana (das australische Paar von unserer China Überquerung) angeschrieben und habe ihnen den Toktogul See als möglichen Übernachtungsort vorgeschlagen. (Natürlich sollten sie das Versinken im Matsch nicht nachmachen!). Ihre Antwort war lustig: sie standen auf der anderen Seite des Sees, genau uns gegenüber. Sie waren zu weit weg, um einander zu sehen, wir haben also nur imaginär einander zugewunken. Aber wir haben uns verabredet, uns in Osh zu treffen.