Als wir aufgestanden sind, war es noch dunkel. Aber die Dämmerung kam schnell. Wir haben uns entschieden, das Auto von den Männer als Taxi zu nehmen. Wir waren ein bisschen überrascht, als der Mann Marc den Schlüssel gab und deutete, dass er fahren soll. Also wir sind mit dem ca. 30 Jahre alten Renault über die Serpentinen hochgefahren. Oben auf der Ostterrasse saßen schon Menschen und warteten auf den Sonnenaufgang. Der Horizont hinter den Bergen im Osten war schon rosa. Wir waren auf 2150 m und vor uns lag die Welt wie eine Landkarte. Wir konnten ganz weit die Berge und die See sehen. Hinter uns standen die großen Statuen von Nemrut Dagi.
Auf dem Gipfel von Nemrut Dagi erhebt sich eine monumentale Kombination aus Heiligtum und Grabstätte. Sie wurde von dem späthellenistischen König Antiochos I. Theos (69–36 v. Chr.) von Kommagene errichtet. Das Heiligtum sollte Zentrum einer neuen Religion sein, die persische und griechische Mythologie vereinte. Antiochos selbst gab sich kurz nach seiner Krönung den Namenszusatz Theos (Gott), eine auch im Rahmen des hellenistischen Herrscherkultes ungewöhnliche Selbstvergöttlichung. In zwei langen griechischen Inschriften legte der König fest, wie genau er zu Lebzeiten und nach seinem Tod verehrt werden sollte. Seine Abstammung führte er väterlicherseits auf die achämenidischen Großkönige Dareios I. und Xerxes I. und mütterlicherseits auf die Seleukiden mit Alexander dem Großen als Ahnherren zurück.
Die Kultstätte wurde 1881 vom deutschen Ingenieur Karl Sester wiederentdeckt. 1987 wurde das Grabheiligtum in die UNESCO-Liste des Welterbes aufgenommen.
Das Grabmal besteht aus einer Geröllaufschüttung mit einem Durchmesser von 150 und einer Höhe von 45 Metern über dem natürlichen Gipfel des Berges. Der Schotterhügel ist umgeben von drei Terrassen im Norden, Westen und Osten. Auf der westlichen und östlichen Terrasse sind große Götterstatuen zu sehen, die König Antiochos in Gesellschaft von griechisch-persischen Göttern darstellen. Dazu kommen verschiedene Reihen von Reliefstelen, die die Ahnengalerie des Königs und andere Verwandte darstellen, sowie Abbildungen von rituellen Handlungen. Um Platz für die Errichtung des Heiligtums zu schaffen, wurden rund 300.000 m³ massiver Fels bewegt. Auf den Berg führen Prozessionswege aus drei Richtungen.
Im Laufe der Zeit haben Erdbeben, Unwetter und zahlreiche Besucher dazu beigetragen, dass ein großer Teil der Reliefs zerstört und die einstmals 8–10 m hohen Statuen heute kopflos sind. Die Häupter sind vor den Statuen aufgestellt. Im Hügel wird eine Grabkammer vermutet, die allerdings ungeachtet vieler Versuche, in das Innere des Hügels vorzudringen, bis heute nicht nachgewiesen wurde. (Wikipedia)
Als die Sonne aufgegangen ist, haben wir erstmal die Statuen auf der Ostseite angeschaut. Die Köpfe stehen direkt vor den jeweiligen Körper und Schrifttafeln erklären, wer wer ist. Die Köpfe sind mehr als 2 m hoch, die Körper 6-8 m. Es ist sehr beeindruckend, vor ihnen zu stehen und darüber nachzudenken, dass sie seit 2000 Jahren hier stehen und auf die Landschaft herabschauen. Wir haben den Berg umrundet und die Nord- und die Westterrassen auch angeschaut.
Unten angekommen haben wir David aus Canada kennengelernt, der die Türkei alleine mit seinem Fahrrad bereist. Wir haben mal wieder Tipps und Infos ausgetauscht.
Er hat den Nemrut Dagi (2150 m!) auch mit seinem Fahrrad(!!!) erklommen. Er hat überlegt, dass er auf der anderen Seite runterfahren möchte. Es gibt nur ein Problem: die Straßen auf den zwei Seiten sind nicht verbunden. Dazwischen ist das Grabheiligtum mit Geröll, Gehweg und Treppen. Aber David hat entschieden, es trotzdem zu machen. Wir haben ihn für seine Tapferkeit bewundert.
Nach dem Frühstück haben wir uns auch auf dem Weg gemacht. Wir mussten erstmal die gleichen Serpentinen runterfahren. Danach wurde es auch nicht anders: enge Straßen rauf und runter, ohne Leitplanke, unglaubliche Ausblicke. Wir fühlten uns wirklich wieder wie Vögel.
In der Nähe von Nemrut Dagi gibt es ein paar andere Denkmäler, die die reiche Geschichte des Kommagenen-Königreiches bezeugen. Dazu gehören Arsameia und Yeni Kale, die wir leider nicht besichtigen konnten, da sie wegen der Erdbeben immer noch geschlossen waren.
Wir haben uns entschieden, zu den alten römischen Brücke, die dem römischen Emperor Septimius Severus und seiner Frau gewidmet worden war, zu fahren und dort auch zu übernachten.
Die Brücke wurde im 2. Jahrhundert gebaut und von den vier original korinthischen Säulen stehen immer noch drei. Die Brücke spannt sich über dem Fluss Cendere. Wie wir von Einheimischen erfahren haben, wurden oben in den Bergen mehrere Staudämme auf dem Fluss gebaut, deswegen führt er jetzt nur wenig Wasser. Trotzdem ist der Canyon hinter der Brücke sehr beeindruckend. Man kann den Fluss leicht überqueren, das Wasser reicht nur bis zum Knie. Einheimische Familien picknicken und grillen am Ufer im Schatten der mächtigen Felswände. Kinder und ab und zu auch Männer baden.
Wir haben im Restaurant direkt bei der Brücke bei Omar zum Abend gegessen. Omar hat 10 Jahre in Österreich gearbeitet und spricht ziemlich gut Deutsch. Das Essen (Fleisch mit Zwiebeln, Paprika und Tomaten in einem großen Pfanne gebraten und leicht scharf gewürzt mit Bulgur und Brot) war frisch vorbereitet und sehr lecker. Dazu haben wir einen frischen Salat und gekühlte Wassermelone serviert bekommen.
Das Restaurant ist da oben links:
Nach dem Abendessen wollten wir unsere Wäsche aufhängen und spielen. Als wir bei Fritzchen angekommen sind, waren daneben ein paar sehr hübsch angezogene junge Leute. Eine junge Frau hatte ein ausladendes weinrotes Kleid an, das definitiv wie ein Brautkleid (nur in Weinrot) aussah. Sie war sehr schön und wir haben es auch gesagt. Wir haben auch zur Hochzeit gratuliert. Leider konnten sie kein Englisch. Aber dann kam eine junge Frau im schwarzen Kleid, die zum Glück Englisch konnte. Sie hat unsere Komplimente und Glückwünsche übersetzt und uns erklärt, dass es heute noch nicht die Hochzeit, sondern der sog. Henna-Abend stattfindet. Der ist so etwas wie der Polterabend bei uns, 2-3 Tage danach findet die Hochzeit statt. Sie hat uns kurzerhand auch zur Feier eingeladen, es sei nicht weit, wir sollten einfach hinter ihnen fahren. Erstmal haben wir dankend verneint, aber danach als sie mehrmals bestätigt hat, dass es kein Problem sei und wir herzlich willkommen sind, sind wir in Fritzchen rein und sind ihnen gefolgt.
Wir sind nur ca. 3 km zum nächsten Dorf gefahren. Wir haben uns schnell umgezogen (so in kurzen Hosen und Röcken wollten wir uns nicht blamieren und sie nicht kränken). Es sollte alles direkt am Straßenrand unter freiem Himmel auf einer großen freien Fläche stattfinden. Als wir ankamen, hat der Feier schon angefangen. Die Männer und die Kinder saßen an einer langen Tafel und haben Lahmacun gegessen. Die Frauen saßen am Rand, hinter den Männern und warteten. Fast alle Frauen trugen Kopftücher. Aus großen Boxen kam laute Musik, was noch zusätzlich von zwei Männern und einem Jungen mit großen Trommeln bzw. Flöte begleitet wurde. Die Frau, die Englisch konnte, kam gleich zu uns und hat für uns Stühle, Essen (Lahmacun – türkische Pizza) und Getränk (Fanta) organisiert. Kurz drauf wurden wir (nur Mira und ich) von der Mutter des Bräutigams begrüßt, umarmt und willkommen geheißen. Danach durften wir auch ein Foto mit dem Brautpaar machen.
Nach dem Foto wollten wir uns mehr an den Rand stellen, wir haben unsere Stühle dorthin gestellt, wo früher die Frauen saßen. Zwischenzeitlich waren die Männer fertig mit essen und saßen mit ihren Stühlen auf der andere Seite des Platzes und die Frauen haben ihre Plätze am Tisch eingenommen.
Wir wurden alle sehr herzlich aufgenommen. Das einzige Problem war, dass fast keiner Englisch konnte. Aber wozu soll es Google Translate geben? Mira wurde gleich von jungen Mädels belagert und ich habe mich lange mit der lokalen Vorschullehrerin unterhalten. Ihre Name war Özlem und sie war sehr nett und offen, hat mir vieles erklärt, was passiert.
Als alle mit dem Essen fertig waren, hat die Musik wieder angefangen. Die Freundinnen/Cousinen der Braut haben angefangen, einen Halay Tanz zu tanzen. Dann kam die Braut und der Bräutigam dazu. Erst danach kamen andere Männer auf der Seite des Bräutigams. Özlem hat uns aufgefordert, auch mitzutanzen. Erst haben wir nur zugeschaut, aber bei der 2. Aufforderung sind Mira und ich mitgegangen. Es hat echt Spaß gemacht. Marius und Marc haben gefilmt.
Unsere neue Freundin hat auch erklärt, was danach passiert: die Braut wird erst mit Geld und Schmuck behängt und danach wird sie für die morgige Hochzeit mit Henna bemalt. Aber das haben wir nicht mehr abgewartet. Wir haben uns bedankt und verabschiedet.
Es war sehr schön, so eine Feier sehen zu dürfen. Es war unglaublich, wie nett, willkommend und herzlich die Leute waren. Vor allem die Frauen, sie haben Mira und mich sofort in ihre Mitte aufgenommen. Die Männer waren ein bisschen distanzierter, aber ein paar Jüngere haben sich auch mit Marc unterhalten.
Wir möchten nochmal an das Brautpaar und die Frau mit dem schwarzen Kleid für die Einladung und an Özlem für die sehr nette Unterhaltung danken und dafür, dass sie der ganzen Zeit sich um uns gekümmert hat.